Menschen

Gehörlos in der Zustellung

Diogo Santos Alves Marques arbeitet als Paketzusteller in der Zustellstelle Mägenwil. Er ist seit Geburt gehörlos und gehört zu den Menschen mit Beeinträchtigungen, die eine Festanstellung bei der Post haben. Wir haben ihn anlässlich des Internationalen Tags der Menschen mit Behinderungen an seinem Arbeitsplatz besucht.

Sarah Meyer und Sandra Gonseth

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Der 3. Dezember ist der Internationale Tag der Menschen mit Behinderungen. Er steht für die Sensibilisierung der Anliegen von betroffenen Menschen und fordert dazu auf, deren Rechte zu verbessern. Gut 20 Prozent der Schweizer Bevölkerung lebt mit einer Form von Beeinträchtigung. Diese kann sichtbar und unsichtbar, temporär und dauerhaft, geistig, psychisch, angeboren, erworben, sensorisch oder körperlich sein. Die Inklusion von Menschen mit Beeinträchtigungen geht allerdings nur schleppend voran. Faire Chancen auf sichere Arbeitsstellen gibt es längst nicht für alle. Diogo ist und gehörlos und hat eine Festanstellung bei der Post. Ein Besuch an seinem Arbeitsplatz im Distributionszentrum Mägenwil.

Hürden lassen sich abbauen, wenn man sie kennt

Diogo Dos Santos Alves Marques arbeitet als Paketzusteller im Distributionszentrum Mägenwil. Er hat eine Festanstellung und arbeitet im Team von Nuno Marques Rodrigues, das 14 Kolleginnen und Kollegen umfasst. Der 33-Jährige war vorher für ein Transportunternehmen tätig, das vorwiegend gehörlose Mitarbeitende beschäftigt. Das Distributionszentrum Mägenwil arbeitet mit diesem Unternehmen zusammen.

«Wir kannten Diogo also bereits und wussten, dass er ein guter Zusteller ist», sagt Tim Zimmermann, Leiter des Distributionszentrums Mägenwil. «Ich arbeite gerne bei der Post und fühle mich wohl im Team. Einige kennen schon wichtige Zeichen der Gebärdensprache», freut sich Diogo. So wissen beispielsweise viele seiner Kolleginnen und Kollegen bereits, dass die Geste der deutschen Gebärdensprache für «Hallo» ein Winken mit ausgestreckten Fingern einer Hand in der Nähe des Mundes ist. Dabei wird «Hallo» deutlich artikuliert.

Die Zustelltour ist zurzeit immer die Gleiche. Ein Aufnäher mit einem durchgestrichenen Ohr zeigt den Kundinnen und Kunden, dass Diogo nichts hört. «Zu Beginn gab es Reklamationen», sagt Nuno. «Wenn wir dann aber aufklärten, war das kein Problem mehr. Wenn etwas dringlich ist, kommunizieren wir per WhatsApp oder mit seiner Frau Melanie.»

Tim Zimmermann, Diogo Dos Santos Alves Marques und Nuno Marques Rodrigues
Von links: Tim Zimmermann, Diogo Dos Santos Alves Marques und Nuno Marques Rodrigues | © Sarah Meyer

Über Chancen, Offenheit und Herzlichkeit

Menschen wie Diogo brauchen für ihren Alltag mehr Kraft als gesunde Menschen. Behördengänge, Kommunikation bei der Arbeit, unmittelbare Verständigung zu den Bedürfnissen und zum Wohlbefinden. «Uns ist wichtig, dass wir dieser Belastung Rechnung tragen. Wir beurteilen die Arbeit von Diogo gleich wie die seiner Kolleginnen und Kollegen. Dafür müssen wir ihm aber auch faire Chancen und Grundlagen bieten können», sind sich Tim und Nuno einig.

Das ist aber gar nicht so einfach. «Ich möchte gerne weitere Verantwortung übernehmen», sagt Diogo. Um diesem Bedürfnis zu entsprechen, schaut die Post nun, dass seine Zustelltour schrittweise angepasst wird. Die nächste Karrieremöglichkeit wäre eine Funktion als Teamleiter. «Hier stossen wir leider ebenfalls an Grenzen», bedauert Tim. Um Teamleiter zu werden, brauche es die Fähigkeit zur Sprachverständigung.

Aber vielleicht gebe es ja auch Karrierechancen in anderen Teams oder in anderen Geschäftsbereichen. Die Post habe viele berufliche Angebote. «Ich wünsche mir mehr berufliche Durchlässigkeit für alle Menschen mit Beeinträchtigungen bei der Post», sagt Tim. «Die Post kann sich leisten, auch ein Vorbild für andere Unternehmen zu sein».

Zurzeit steht im Fokus, Diogo noch besser ins Team zu integrieren. «Wir schauen, dass bei Teamanlässen oder anderen sozialen Interaktionenwie zum Beispiel beim Feierabendbier, eine Dolmetscherin dabei ist», erklärt Nuno. «Das ist super», findet Diogo.

Offenheit und die Bereitschaft, voneinander zu lernen und sich gegenseitig zu unterstützen – das sind wichtige Voraussetzungen für ein Team, das inklusiv ist. Diese Grundlagen findet man in Mägenwil, trotz Hektik in der Logistikbranche.

Diogo trifft nach dem Gespräch im Flur auf einen Kollegen. Es folgt eine herzliche Umarmung. Dazu braucht es keine Worte.

Das Portrait von Diogo finden Sie in unserer Serie #HumansofSwissPost auf InstagramTarget not accessible und FacebookTarget not accessible.

Die Post trägt als eine der grössten Arbeitgeberinnen der Schweiz eine grosse soziale Verantwortung. Sie treibt die Inklusion von Menschen mit Behinderungen mit Überzeugung voran und setzt sich aktiv für den Erhalt der Arbeitsfähigkeit der Mitarbeitenden ein. Die Post bildet auch Lernende mit Beeinträchtigungen aus. Zudem bietet sie auch Menschen mit Beeinträchtigungen aus dem 2. Arbeitsmarkt eine Teilhabe am Arbeitsalltag.

Seit 2004 gilt die gesetzliche Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen. Bei der Umsetzung hapert es. Der Bundesrat hat deswegen im März 2023 eine Teilrevision des Behindertengesetzes veranlasst. Arbeitgeber sollen verpflichtet werden, zumutbare Massnahmen zu treffen, damit Mitarbeitende mit Behinderungen gleichgestellt einer Arbeit nachgehen können. Gleichzeitig will der Bundesrat auch die Anerkennung der Schweizer Gebärdensprachen verbindlich regeln und die Gleichstellung von gehörlosen Personen beim Zugang zu Dienstleistungen und im Arbeitsleben fördern.

Weitere Informationen zum Thema Gehörlosigkeit finden Sie auf der Seite des Schweizerischen Gehörlosenbunds.

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