Hintergründe

Zwei Generationen, zwei Laufbahnen

Hier Antoinette, 71 Jahre, ehemals Posthalter-Ehegattin, und da Blerina, 26 Jahre, Co-Teamleiterin PostNetz in Baden. Im Gespräch über Frauen im Beruf früher und heute entdecken sie viele Gemeinsamkeiten – zum Beispiel ihre Freude an der Arbeit bei der Post und den Drang nach Unabhängigkeit.

Sandra Liechti

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Links ist Antoinette Fiechter, pensionierte und ehemalige Schalterbeamtin ber der Post. Rechts Blerina Maliqi-Rapuca,  Co-Teamleiterin PostNetz in Baden. (Copyright: Adrian Brand)
Links ist Antoinette Fiechter, pensionierte und ehemalige Schalterbeamtin ber der Post. Rechts Blerina Maliqi-Rapuca, Co-Teamleiterin PostNetz in Baden. (Copyright: Adrian Brand)

Antoinette ist 20-jährig, als das Frauenstimmrecht 1971 in der Schweiz angenommen wird. Sogar bis zur Revision des Eherechts 1988 müssen die Ehefrauen ihre Männer um Einwilligung bitten, um arbeiten zu können. Blerina ist damals noch nicht einmal auf der Welt. Sie wurde erst 1994 geboren.

Antoinette, warum war es dir so wichtig, eine Ausbildung zu machen und zu arbeiten?

Früher hiess es: «Du brauchst nichts zu lernen, du heiratest ja sowieso irgendwann.» Das hat mich immer gestört. Ich wollte unbedingt eine Ausbildung machen und unabhängig sein. Ich wollte Reiseleiterin werden und nach England oder Italien gehen. Dann kam aber die Liebe dazwischen und ich bin in der Schweiz geblieben. Bereut habe ich es nicht, aber eine Ausbildung habe ich trotzdem gemacht – Liebe hin oder her!

Wie war das damals, als du sogenannte Posthalter-Ehegattin warst? Warst du wirklich nur ein Anhängsel?

Ja, als Anhängsel konnte man das sehen. Ich kam mir aber nie minderwertig vor. Im Dorf ging es sehr familiär zu und her. Ich hatte meine Kundschaft und meine Aufgaben und leistete meinen Anteil am Einkommen. Offiziell arbeitete ich 33,33 Prozent. Faktisch bedeutete es, dass ich zwei Nachmittage pro Woche und einen Samstag pro Monat am Schalter stand und die Kundinnen betreute. Aber in Wahrheit half ich ständig ein paar Stunden aus, solange die Schulzeiten der Töchter und die Hausarbeit es zuliessen. Es gab ja so viel zu tun und alles war viel mehr Handarbeit auf der Poststelle. Ich liebte meinen Job!

Blerina, du leitest mit 26 Jahren bereits ein grosses Team. Wie kommt das?

(lacht) Ich habe meine Lehre ja bei der Post gemacht und danach als Kundenberaterin in diversen Filialen gearbeitet. Da merkte ich schnell, dass die Arbeit am Schalter allein zu wenig interessant für mich ist. Ich reisse gerne etwas an, begeistere die anderen, helfe den Leuten, sich zu entwickeln, und übernehme Verantwortung. Mir gefällt es, wenn wir gemeinsam etwas erreichen können und dabei Spass haben! Auch die Mischung von Kundenberaterin am Schalter und Führungsaufgaben finde ich toll. So habe ich Kundenkontakt, kann aber trotzdem hinter den Kulissen wirken und organisieren.

Könntest du dir vorstellen, je ganz aufhören zu arbeiten, wenn du Kinder bekommst, so wie damals Antoinette?

Nein, das kann ich mir nicht vorstellen, dafür arbeite ich zu gerne! Übrigens: Ich bin im fünften Monat schwanger …

Antoinette: Oh, gratuliere!

Blerina: Danke.

Blerina, wie organisiert ihr euch, wenn das Kind da und die Mutterschaftspause durch ist?

Wir haben vor, unsere Kinder gemeinsam grosszuziehen. Das heisst, wir kümmern uns beide zu gleichen Anteilen um die Betreuung und werden auch externe Kinderbetreuung organisieren. Und so kann ich meinen Job als Teamleiterin behalten. Das ist mir schon wichtig. Es war nie Thema, dass ich zu Hause bleibe und nur er arbeiten geht.

Antoinette, wie war das bei dir damals, als du Mutter wurdest?

Wir hatten die klassische Rollenverteilung, auch wenn es mir gefallen hätte, weiter zu arbeiten. Es war halt einfach nicht möglich, damals gab es keine Kinderkrippen oder Ähnliches. Nur die Eltern oder Schwiegereltern, aber die arbeiteten ja auch noch. Wir diskutierten aber viel über das Geschäft zu Hause. Und so wusste ich immer mehr oder weniger, was lief, und konnte meinen Mann beraten oder ihm was abnehmen.

Blerina, wer waren deine Vorbilder, damit du jetzt so selbstbewusst hier stehst?

Ich hatte das Glück, dass mich meine Eltern schon immer ermutigt und gefördert hatten. Beide waren berufstätig. Sie arbeiteten viel, um meinem Bruder und mir eine gute Ausbildung zu ermöglichen und auch die Familie im Kosovo zu unterstützen. Ich habe nie gehört: Das kannst du nicht, weil du eine Frau bist, oder so Ähnliches. Mir ist es sehr wichtig, auf eigenen Füssen zu stehen.

Gab es Zweifel an deiner Beförderung zur Teamleiterin?

Nein, nicht, weil ich es mir nicht zugetraut hätte. Nur mein Alter und meine berufliche Erfahrung waren bei manchen ein Thema, weil unser Team altersmässig sehr durchmischt ist. Das hat sich aber dann gelegt, als sie sahen, dass ich kompetent bin und wir ein gutes Führungsteam sind.

Antoinette, welchen Ratschlag gibst du Blerina auf den Weg?

Ich wünsche dir, dass du zufrieden bist im Job und dass ihr ein gutes Team seid. Bleib immer dran, äussere deine Wünsche und fordere etwas ein, auch wenn das nicht immer gerade auf Begeisterung stösst. Wir haben für das Frauenstimmrecht gekämpft, jetzt müsst ihr die Errungenschaften weitertragen und dafür sorgen, dass die Zukunft weiblich ist! (lacht)

Blerina: Danke Antoinette, dieses Gespräch war sehr lehrreich für mich!

Blerina, welche Werte willst du deinem Kind mitgeben?

Ich bin dankbar, dass mir meine Eltern alles ermöglicht haben und mich immer unterstützt haben. So will ich es auch meiner Tochter oder meinem Sohn weitergeben.

verfasst von

Sandra Liechti

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