Hintergründe

Die schönste Attikawohnung auf 3500 Metern über Meer!

Vor 100 Jahren gab der Bundesrat grünes Licht für den Bau einer Forschungsstation auf dem Jungfraujoch. Die Post widmet dem Jubiläum eine Sondermarke. Doch wie lebt es sich auf dieser Höhe?

Claudia Iraoui

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Mann und Frau in Winterkleidung vor dem Observatorium der Forschungsstation
Daniela Bissig und Erich Furrer betreuen seit anderthalb Jahren die Forschungsstation auf dem Jungfraujoch. Sie wechseln sich alle 16 Tage mit einem anderen Betriebswart-Paar ab. (Copyright: Monika Flückiger)

Das Jungfraujoch ist eingebettet zwischen Felsen und umgeben von jahrtausendalten Gletschern des Aletschgebietes. Es ist nicht nur ein bedeutsames Zentrum für den Bergtourismus, sondern auch für die wissenschaftliche Forschung. Die Wege von Touristen und Forschenden trennen sich jedoch schon im Felstunnel des höchstgelegenen Bahnhofs Europas auf 3454 Metern über Meer. Ein Blumenkranz schmückt den Eingang zur Forschungsstation. «Mir ist es wichtig, dass sich die Forscherinnen und Forscher hier zuhause fühlen», sagt Daniela Bissig. Sie und ihr Partner Erich Furrer sind seit eineinhalb Jahren die Gastgeber in der Forschungsstation. Alle 16 Tage wechseln sie sich mit einem anderen Paar ab. Daniela und Erich haben eine voll ausgestattete eigene Wohnung auf mehreren Etagen und sorgen für das Wohlbefinden der Tagesgäste und derjenigen, die in einem der zwölf Zimmer der Forschungsstation übernachten.

Ein Mann und einen Frau sitzen an einem Tisch vor ihren Laptops in einem Zimmer im Chalet-Stil.
Szene aus dem Alltag: zwei Forschende in der Forschungsstation auf dem Jungfraujoch (Copyright: Monika Flückiger)
Geräumiges Schlafzimmer
Eines von zwölf Zimmern, das den Forschenden zur Verfügung steht. (Copyright: Monika Flückiger)

Am 14. Oktober 1922 handelte der Bundesrat visionär und erteilte den Auftrag, auf dem Jungfraujoch eine Forschungsstation zu errichten. Kurz nach der Einweihung der Jungfraubahn im Jahr 1912 war vorgeschlagen worden, diesen aussergewöhnlichen Ort für Forschungsarbeiten zu nutzen. Unter anderem war das Jungfraujoch ideal, um die kosmische Strahlung zu untersuchen, die gerade erst entdeckt worden war. Eröffnet wurde die Station 1931. Standen zunächst Fragen der Gletscherkunde und der Medizin im Zentrum, rückte später die Astronomie ins Blickfeld. Während der letzten Jahre standen vor allem die Umweltwissenschaften im Vordergrund. Im Moment befasst sich über die Hälfte der Projekte mit Umwelt- und Klimafragen: Luftzusammensetzung, Umweltverschmutzung sowie Belastung durch Aerosole, Radioaktivität und kosmische Strahlung.

Die Forschungsstation ist in den Fels gebaut, ohne Kontakt mit diesem zu haben, damit sie nicht durch vereistes Gestein und Feuchtigkeit beschädigt wird. Copyright: Monika Flückiger
Die Forschungsstation ist in den Fels gebaut, ohne Kontakt mit diesem zu haben, damit sie nicht durch vereistes Gestein und Feuchtigkeit beschädigt wird. (Copyright: Monika Flückiger)

Die «Internationale Stiftung Hochalpine Forschungsstationen Jungfraujoch und GornergratTarget not accessible» (HFSJG) stellt Forscherinnen und Forschern aus der ganzen Welt die notwendige Infrastruktur für wissenschaftliche Untersuchungen im hochalpinen Raum zur Verfügung. Markus Leuenberger, Professor an der Universität Bern und Direktor der Stiftung, erklärt, weshalb der Ort für die Forschung so interessant ist: «Wie es mein Vorgänger auszudrücken pflegte: Was den Unterschied ausmacht, ist die Lage, die Lage und nochmals die Lage. Er hatte recht! Ein Aspekt, der die Forschungsstation so besonders macht, ist die Erreichbarkeit mit der Jungfraubahn. Dann die Tatsache, dass die Luftmassen der Troposphäre auf 3500 Metern über Meer freier zirkulieren (Ferntransport). Zudem ist der Atmosphärendruck geringer und weniger anfällig für den Einfluss bestimmter Messgrössen, wie die kosmische Strahlung.»

Inzwischen haben sich Daniela und Erich an den atemberaubenden Ausblick von ihrem Schlafzimmerfenster gewöhnt: «Wir haben die schönste Attikawohnung der Schweiz auf fast 3500 Metern über Meer», lacht Erich. Die Lebensbedingungen in dieser Lage sind trotzdem speziell. Bis ein Ei hartgekocht ist, dauert es beispielsweise 14 Minuten statt 7, weil das Wasser auf dieser Höhe bereits bei 85 Grad kocht. «Und Risotto kann man hier vergessen, das wird eine Pampe. Wir haben uns angewöhnt, mit dem Dampfkochtopf zu kochen.»

Daniela Bissig und Erich Furrer mit ihren zahmen Freunden. Copyright: Monika Flückiger
Daniela Bissig und Erich Furrer mit ihren zahmen Freunden. (Copyright: Monika Flückiger)

In ihrer Freizeit halten sich Daniela und Erich oft auf der Terrasse des Sphinx-Observatoriums auf, um die nahezu handzahmen Dohlen zu sehen, die auf dem Gletscher leben: Jedes Mal kommt ein gutes Dutzend angeflogen und hofft auf Rosinen. Eine besonders mutige Dohle pickt sie sanft aus Danielas Hand. Eine andere sitzt würdevoll auf einer Kamera und beobachtet uns. Daniela lacht: «Das ist ihr Lieblingsplatz. Ich weiss allerdings nicht, was die Forscher dazu meinen ...»

Aussicht auf den Aletschgletscher
Copyright: Monika Flückiger

Das grandiose Panorama ist auf der Sondermarke eingefangen, auf der das Observatorium abgebildet ist. «Die farbigen Linien stellen die Luftmassen dar, die aus ganz Europa und noch von weiter her aufs Jungfraujoch gelangen», erklärt Markus Leuenberger. «Hier führen wir weltweit einzigartige Messungen durch, mit denen sich feststellen lässt, welche Emissionen auf menschliche Aktivitäten zurückgehen und welche natürlichen Ursprungs sind. Damit dokumentieren wir den Klimawandel.» Auch er ist wie Daniela und Erich jeden Tag aufs Neue von diesem Ort auf luftiger Höhe fasziniert. Die drei sind sich einig: «Es ist ein absolut einmaliger Arbeitsplatz!»

Marke Jungfraujoch

Mehrere der rund fünfzig laufenden Forschungsprojekte befassen sich mit den Luftmassen, die aus ganz Europa und von noch weiter her aufs Jungfraujoch gelangen. Die Sondermarke bildet diese Strömungen ab; sie ist in allen Filialen und auf postshop.ch erhältlich.

verfasst von

Claudia Iraoui

Channel Manager Digital

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