Hintergründe

Vor 100 Jahren eroberte das Postauto den Gotthard

Im Juni 1922 fuhren die ersten Postautos über den Gotthardpass. Auslöser für das legendäre Freizeitvergnügen war eigentlich eine Wirtschaftskrise, ähnlich wie jüngst bei Corona. Verkehrshistoriker Kilian T. Elsasser kennt die Hintergründe.

Katharina Merkle

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Historische Aufnahmen aus den 1920er-Jahren der PostAuto-Fahrten über den Gotthard.  (Bild: Museum für Kommunikation)
Historische Aufnahmen aus den 1920er-Jahren der PostAuto-Fahrten über den Gotthard. (Bild: Museum für Kommunikation)

Im 19. Jahrhundert bezwangen jährlich bis 60 000 Menschen mit der Postkutsche die wichtige Nord-Süd-Route über den Gotthard. Die Postkutschen bedienten den Gotthardpass insgesamt nur während 40 Jahren. Erst die 1882 eröffnete Gotthardbahn machte den Gotthard zur wichtigsten Alpentransversale. Dennoch ist der Postkutschenverkehr nicht vergessen gegangen. Rudolf Koller verewigte die Postkutsche 1873 mit seinem Bild «Gotthardpost», das heute im Kunsthaus Zürich hängt. Die Periode des spektakulären Postkutschenverkehrs von Flüelen nach Camerlata bei Como lebt aber nicht nur in der Erinnerung weiter. Im Sommer fährt jeweils eine von einem Verein betriebene historische Postkutsche Touristen über den Pass. «Und in keinem der regelmässig durchgeführten Freilufttheater in Andermatt und Göschenen darf die Postkutsche fehlen», sagt Verkehrshistoriker und Gotthard-Kenner Kilian T. Elsasser.

Historische Aufnahmen aus den 1920er-Jahren der PostAuto-Fahrten über den Gotthard.  (Bild: Museum für Kommunikation)

Armeelastwagen werden zu Postautos

Zurück ins Jahr 1922, als eine neue Ära begann: PostAuto bot erstmals Fahrten über den Gotthard an. Die Reise im Postauto war zwar recht abenteuerlich, da oft Cabrios eingesetzt wurden, aber doch weniger holprig und staubig als die Traverse mit der Postkutsche. Mit der Gotthardstrecke Andermatt–Airolo nahm das Segment Freizeitverkehr bei PostAuto Fahrt auf. Denn die Tour über den Pass diente nicht mehr dem reinen Transport von A nach B, sondern ausschliesslich dem Vergnügen.

Historische Aufnahmen aus den 1920er-Jahren der PostAuto-Fahrten über den Gotthard. (Bild: Museum für Kommunikation)

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Verkehrshistoriker Kilian T. Elsasser

«Auslöser für die neue PostAuto-Linie über den Gotthard war die Wirtschaftskrise nach dem Ersten Weltkrieg. Wie jüngst während der Coronapandemie fehlten die ausländischen Gäste und es galt, touristische Attraktionen für die Einheimischen zu schaffen. Zudem kam PostAuto zugute, dass von der Armee kostenlos Lastwagen übernommen werden konnten. Diese wurden zu Postautos umgebaut», so Kilian T. Elsasser.

Verkehrshistoriker Kilian T. Elsasser

Historische Aufnahmen aus den 1920er-Jahren der PostAuto-Fahrten über den Gotthard.  (Bild: Museum für Kommunikation)
Historische Aufnahmen aus den 1920er-Jahren der PostAuto-Fahrten über den Gotthard. (Bild: Museum für Kommunikation)

Noch heute Kult: die Mehrpässefahrten

Wortwörtlich ein weiterer grosser Durchbruch gelang der Eisenbahn 2016 mit der Eröffnung des Gotthard-Basistunnels. Mit seinen 57 Kilometern ist er der längste Eisenbahntunnel der Welt. Dennoch erfreuen sich die gemächlicheren PostAuto-Fahrten über den Pass nach wie vor grosser Beliebtheit. Diesen Sommer feiert die PostAuto-Linie ihr 100-Jahr-Jubiläum. Die Fahrt zwischen Airolo und Andermatt wird vom 25. Juni bis 9. Oktober 2022 mehrmals täglich angeboten. Sie dauert rund 50 Minuten und lässt sich gut mit den landschaftlich sehr abwechslungsreichen Pässefahrten in den Zentralalpen verbinden, die PostAuto jeden Sommer anbietet. Diese Mehrpässefahrten, für die jeweils 20 Fahrerinnen und Fahrer im Einsatz sind, gehören zu den Highlights des touristischen öV-Angebots der Schweiz.

 
Historische Aufnahmen aus den 1920er-Jahren der PostAuto-Fahrten über den Gotthard.  (Bild: Museum für Kommunikation)
Historische Aufnahmen aus den 1920er-Jahren der PostAuto-Fahrten über den Gotthard. (Bild: Museum für Kommunikation)

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Katharina Merkle

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