Hintergründe

«Frauen wurden fast wie Kinder behandelt»

Heike Bazak, Leiterin des PTT-Archivs, erzählt, wie sich die Gleichstellung der Frauen bei der Post nur zaghaft einstellte

Susanna Stalder

Inhaltsbereich

Copyright: PTT-Archiv
Copyright: PTT-Archiv

Das PTT-Archiv hat ein Dossier zur Geschichte der Frauen bei der PTT erarbeitet. Welche Erkenntnis aus den Recherchen hat Sie am meisten erstaunt?

Einerseits, dass Frauen über lange Zeit fast wie Kinder behandelt wurden: Die Väter – und später die Ehemänner – waren es, die die Erlaubnis zur Arbeit erteilten. Andererseits, dass man Anfang der 1970er-Jahre bei der Öffnung der Kaderlaufbahn sofort wieder eine Schranke einführte: Nur 200 Frauen waren zur Kaderausbildung zugelassen.

Warum hatten Frauen über lange Zeit keinen Zugang zu Kaderstellen?

Das war gesellschaftlich bedingt. Auch bei der Post galt der Grundsatz, dass die Männer die Familie ernähren. Dass man ihnen also keinesfalls den Job wegnehmen dürfe. Zudem schieden die meisten Frauen bei der Heirat aus dem Betrieb aus. Eine Kaderausbildung schien also überflüssig zu sein. Übrigens: Bis Anfang des 20. Jahrhunderts waren Kaderlaufbahnen auch für Frauen noch möglich. Erst um 1910 wurden sie verboten.

Wie kam es dazu?

In Vevey wurde eine Frau zur Leiterin des Postamtes ernannt. Dies führte zu Protesten des Verbandes der Postbeamten. Obwohl der Bundesrat eine Posthalterin als unproblematisch ansah, folgten jahrelange Diskussionen, und schliesslich wurde die Beförderung von Frauen in Kaderpositionen verboten. Trotzdem übernahmen auch später noch in gewissen Fällen Frauen die Leitung in kleinen Dorfpoststellen. Zum Beispiel, wenn der Ehemann gestorben war. Die Post tolerierte das, da es meist die praktischste und günstigste Lösung war.

Die beruflichen Möglichkeiten waren also stark eingeschränkt. Was war aus Ihrer Sicht bei der Post damals der beste Job für eine Frau?

Die Arbeit in einem kleinen Postamt war wohl am vielfältigsten. Innerhalb einer Posthalter-Familie hatte man sein eigenes Reich und wirtschaftete auf eigene Rechnung.

Heike Bazak, Leiterin des PTT-Archivs.

Kommen wir zurück auf die 70er-Jahre: 1971 wurde das Frauenstimmrecht eingeführt. Wie sah die Situation der Frauen bei der Post aus?

In den 60er-Jahren waren viele Frauen eingestellt worden. Unter anderem als Sortiererinnen, denn die Einführung der Postleitzahlen 1964 hatte die Sortierarbeit massiv vereinfacht. Es brauchte dafür keine Spezialausbildung mehr. Kaderpositionen oder Männerdomänen wie der prestigeträchtige Bahnpostdienst war den Frauen trotz Personalmangel nach wie vor verwehrt.

Die Post war also nicht Vorreiterin bezüglich Gleichstellung?

Nein. Allerdings setzte die Post als Bundesbetrieb nach dem politischen Entscheid rasch Veränderungen um. Die starren Grenzen zwischen den Berufsgruppen wurden aufgeweicht, Frauen durften nun offiziell Kaderlaufbahnen einschlagen. Einfach war das aber zunächst nicht: Die Frauen mussten sich teilweise blöde Sprüche anhören, und sie mussten härter arbeiten als die Männer. Kein Wunder, trauten sich nur einzelne Frauen, die ersten Betriebssekretärinnenkurse zu besuchen.

Inhaltsbereich

Wie ging es danach weiter?

Die PTT beteiligte sich am Programm «Taten statt Worte». Dieses wurde in den 80er-Jahren von Politik, Wirtschaft und Verwaltung lanciert mit dem Ziel, die berufliche Gleichstellung von Mann und Frau zu fördern. Für mich ist das Programm, das in den 1990er-Jahren Wirkung zeigte, ein Meilenstein in der Geschichte der Frauen bei der Post. Nichtsdestotrotz war der Aufstieg der Frauen zu gleichberechtigten Mitarbeiterinnen ein träger Prozess.

verfasst von

Susanna Stalder

50 Jahre Frauenstimm- und Wahlrecht: Und wo steht die Post?

Hintergründe
Mehr erfahren
Valérie Schelker, Leiterin Personal bei der Post, mit der Briefmarke «50 Jahre Frauenstimm- und Wahlrecht»

«Endlich durfte ich mitreden»

Geschichten
Mehr erfahren
Germaine Zenhäusern (69) Foto: Isabelle Favre